Am Rande der kulturellen Zumutbarkeit
Kultur ist ja eine feine Sache. Kultur ist vielseitig,
flexibel und die Ästhetik dabei liegt oft im Auge des Betrachters. Und manches
Mal ist vermeintliche Kultur tatsächlich grenzwertig.
Folgendes Beispiel: Lesungen gehören für mich unbedingt zu
einem guten Kulturprogramm. Welch Glück also, dass es in meiner dörflichen
Heimat eine Bibliothek mit gelegentlichen Lesungen gibt, die ich allerdings
grundsätzlich immer verpasse. Bis auf die Lesung am letzten Freitag.
Geworben wurde mit dem Bild des verwegen aussehenden Autors
und spannenden Seemannsgeschichten aus persönlicher Erfahrung. Gerechnet habe
ich mit bahn- und wellenbrechenden Thrillerauszügen oder mörderisch-detektivischen
Aktivitäten auf See. Aber was mich schon beim Betreten des vorbereiteten Raumes
in der Bibliothek erwartete, war alles andere als spannend oder gar
bahnbrechend. Das einzige, das zu brechen drohte, waren die Stühle unter den
gewaltigen Hintern der (Früh)Rentnerinnen!
Und damit nicht genug: Der Autor begann seine Lesung mit musikalischer
Einstimmung, die er auf seiner Tuba vortrug, um sich dann anschließend seiner
Gitarre zu widmen und zwischendurch kamen auch ein Akkordeon und ein Banjo zum
Einsatz. Aber am besten fand ich seine Zwischenbemerkungen, wie gut seine
Vorführungen doch bei Kindern ankämen und die Kinder fänden dieses und jenes
Lied immer besonders schön und die Kinder sängen immer so schön mit, „das
machen wir jetzt mal auch“.
Wie bitte? Ob der nicht gemerkt hat, dass hier keine Kinder
sind? Zumindest hätte er sein Programm ja anpassen können. Doch als der Autor
auch noch mit kindgerechter Stimme (ähnlich wie der Weihnachtsmann) fragte, ob
denn alle ihre Schwimmwesten dabei hätten, konnte ich nicht mehr an mich halten
und antwortete „Nein, aber die Meisten haben ihre Schwimmringe dabei!“
In der Pause sind wir dann lieber schnell gegangen, bevor
uns noch jemand die Augen auskratzte.
Das war Freitag. Und als Entschädigung wollte ich mir am
Sonntag das Konzert einer Cover-Glamrock-Band namens The Clogs ansehen. Unser
kleiner Dorfclub war sogar gerammelt voll. Aber weder das noch die
Wohnzimmeratmosphäre in einem kaum größeren Konzertraum haben der fabelhaften Stimmung
einen Abbruch getan. Den einzigen Schock an diesem Abend bekam ich beim Anblick
der Bühnenoutfits…
Ich bin ja ein großer Fan von rockigen und glamourösen
Outfits, gern mit Rüschen wie bei The Sweet und glitzernden Schlaghosen wie bei
T-Rex. Aber trotz musikalischer Glanzleistung traf der Kleidergeschmack der
Herren mit den Holzschuhen auf meine persönlichen Grenzen des Zumutbaren. Oh
je…ich habe schon lang nicht mehr so fürchterliche Bekleidung bei eigentlich wirklich
guter Musik gesehen.

Musikalisch hatten die Holzschuhträger definitiv und
wirklich was drauf! Da ziehe ich auch gern meinen Leopardenhut und freue mich
auf eine Fortsetzung – dann vielleicht mit stilsicherer Kleidung.
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