Donnerstag, 18. Oktober 2012

Nebenjob Nervensäge



Was geht bloß in den Köpfen der Menschen vor?

Da ich ja nach wie vor auf Jobsuche bin, halte ich mich durch einen Nebenjob über Wasser. Ich bin die, die den Leuten „ein Ohr abkaut“, den wohlverdienten Feierabend oder die Mittagspause stört, nervige Fragen stellt und den meisten einfach nur lästig ist – jawohl, ich arbeite als Telefonistin. Nein, das hat nichts mit Telefonsex zu tun. Obwohl ich mir bei manchen Herren am anderen Ende der Leitung manchmal nicht sicher bin, ob wir beide da gleicher Meinung sind… Ich telefoniere für ein seriöses Markt- und Meinungsforschungsinstitut mit Schwerpunkt auf politische und gesellschaftliche Themen, die allerdings gelegentlich (stark) von der eigentlichen Richtung abweichen. Eigentlich kein schlechter Job, wenn man davon ausgeht, dass Frauen das viele Sprechen und Telefonieren ja quasi angeboren sein soll.
Das wirklich verrückte und oft auch anstrengende an diesem Nebenjob ist aber nicht die Fragerei. Auch wenn die Formulierung mancher Fragen nicht gerade den Anschein erweckt aus der Feder eines Grammatik-Genies zu stammen oder man sich auf der Suche nach dem Sinn hinter machen Fragen den Kopf zermürbt oder ihn einfach resigniert schüttelt (Warum sollen mir Fremde irgendwelche Slogans von Tütengemüseherstellern vorsingen?).
Nein, noch strapaziöser sind die Menschen, mit denen ich telefoniere. Von freundlichen Flirteinlagen über billige Anmachsprüche bis hin zu konkreten Rendevouz-Anfragen oder Heiratsanträgen bzw. Heiratsvermittlungsversuchen habe ich schon so Einiges erlebt. Ein freundlicher Herr wollte mich mit seinem Sohn verkuppeln, ein Mann von Mitte 70 wollte sich mit mir in seiner Stammkneipe treffen und ein ebenfalls älterer Herr wollte ein Foto von mir haben, dass er sich über sein Ehebett (!) hängen wollte! Andere erkundigen sich auch einfach forsch nach meinem Alter, Aussehen und Beziehungsstatus.
Manche Menschen erzählen mir ihre halbe Lebensgeschichte anstatt Fragen zu beantworten oder schleudern mir unvermittelt brisante bis tragische Details aus ihrem Leben an den Kopf. Dabei muss ich schon gelegentlich ein Lachen unterdrücken oder Tränen zurückhalten. Beispielsweise bei der Aussage „Ich habe keine Zeit zum telefonieren, ich bin Rentner.“ (Aha…ja nee, schon klar). Oder wenn männliche Kontakte am Telefon plötzlich anfangen eindeutig zweideutig zu Stöhnen anstatt meine Fragen zu beantworten (Was für eine Unverschämtheit)!
Doch aufgepasst – nicht nur meine Interviewpartner treiben mich ab und an in den Wahnsinn. Auch manche Kollegen lassen aus Schmeicheleien schnell Schleimspuren werden, auf denen ich beinahe ausrutsche! Drum lasst euch gesagt sein, liebreizende Herren der Schöpfung, es besteht ein frappierender Unterschied zwischen Komplimenten und Schleimereien. Von netten Komplimenten gerötete Wangen haben alle Mädels gern. Wenn das Komplimentgeschleuder dann aber wie aus einem Maschinengewähr weitergeht, löst das für gewöhnlich eher Beklemmung oder gar Ekel anstatt Freude aus. Darum gilt: weniger ist mehr. Wobei weniger nicht gleich selten heißt. Denn gekonnte Schmeicheleien hören Mädels auch gern öfter.

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